Festakt "800 Jahre Stadt Winnenden"
Auszug aus dem Bericht im Blickpunkt Winnenden in der Ausgabe vom 19. Januar 2012
Festvortrag von Historiker Prof. Dr. Gerhard Fritz

Die Geschichte der Stadt Winnenden ist eng verwoben mit der damaligen Weltgeschichte, wie Prof. Dr. Gerhard Fritz – ein renommierter Landeshistoriker – darlegte. Wir berichten auszugsweise aus seiner Rede.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts gehörte Winnenden einer hochadligen Familie, die damals seit etwa zwei Jahrhunderten in der Gegend Besitz hatte – die Hessonen. Sie gehörten zum Hochadel, also zu jener zahlenmäßig ganz kleinen Schicht, die alle politische Macht in sich vereinigte und aus deren Kreisen die maßgeblichen politischen Ämter besetzt wurden. Einer der hessonischen Zweige bezeichnete sich seit dem späten 12. Jahrhundert als Herren von Winnenden. Uns tritt in den Quellen insbesondere ein Gottfried von Winnenden entgegen – für die Winnender Geschichte eine ganz entscheidende Persönlichkeit. Dieser Gottfried von Winnenden war 1981 der Anlass für den damals gefeierten 800. Jahrestag der urkundlichen Erstnennung Winnendens.
Winnenden vor der Erhebung zur Stadt
Wie muss man sich dieses vorstädtische Winnenden zur Zeit Gottfrieds vorstellen? Es gab mit Sicherheit bereits eine dörfliche Ansiedlung. Die Schlosskirche bzw. ihr Vorgängerbau war bereits vorhanden. Aber Gottfried von Winnenden – vielleicht auch schon sein Vater – hatten, dem Zug der Zeit folgend, eine Höhenburg errichtet: Altwinnenden, heute besser bekannt als Bürg. Ein Turm dieser Hochadelsburg ist noch vorhanden.
Gottfried von Winnenden hatte eine glanzvolle Karriere – er hatte nur in einer Hinsicht Pech: Gottfried hatte keinen Sohn. Er hatte aber eine Tochter. Und diese Tochter – sie hieß Adelheid – war, so wie die Dinge lagen, eine in jeder Hinsicht attraktive Person.
Gottfried von Winnenden mag seinen künftigen Schwiegersohn und damit den künftigen Herrn von Winnenden am staufischen Kaiserhof kennengelernt haben. Es war ein Herr namens Heinrich von Neuffen. Von Gottfried haben wir leider kein Bild, von Heinrich und Adelheid auch nicht – aber wir haben immerhin ein Bild von deren Sohn, dem berühmten Dichter und Minnesänger, der den Namen seines Winnender Großvaters erhielt und als Gottfried von Neuffen berühmt geworden ist.

Der berühmte Minnesänger Gottfried von Neuffen
(Quelle: Codex Manesse).
Heinrich von Neuffen heiratete Adelheid von Winnenden
Heinrich von Neuffen war nicht nur ein Mann, der einer aufstrebenden Familie angehörte, die eine kluge private Erwerbspolitik betrieb. Er war auch ein Mann, der auf der ganz großen politischen Ebene brillierte. Er reiste viel – meist im Gefolge der Stauferkaiser – und ist dabei auch längere Zeit in Frankreich und in Italien gewesen.
Gottfried von Winnenden und sein Schwiegersohn Heinrich von Neuffen waren stets auf engste mit den Staufern verbunden, und es muss beide wohl wie ein Donnerschlag getroffen haben, als 1208 der staufische König Philipp ermordet wurde und an seiner Stelle der Welfe Otto IV. den Thron des Reiches bestieg. Mit Otto IV., der in England aufgewachsen war, wurde man in Süddeutschland nie warm, und als Otto IV. sich wenige Jahre später in Italien mit dem Papst überwarf, erinnerte man sich daran, dass in Süditalien ja noch ein Staufer lebte – Friedrich II., der Enkel Barbarossas.
Heinrich brachte den künftigen Stauferkönig nach Deutschland
Einige Fürsten, die mit Otto IV. unzufrieden waren, erklärten Ende 1211 Otto für abgesetzt und wählten ebendiesen Friedrich II. zum neuen König. Das Problem war nur, dass Friedrich II. ja gar nicht in Deutschland war, sondern in Süditalien. Man brauchte einen weltläufigen Mann, um den jungen Staufer nach Deutschland zu holen – und dieser weltläufige Mann war kein anderer als der polyglotte Heinrich von Neuffen, dem man diese im höchsten Maße kitzlige diplomatische Mission anvertraute. Heinrich löste seine Aufgabe hervorragend und lotste Friedrich II. 1212 erfolgreich nach Deutschland. Friedrich II. gelang es rasch, sich gegen den Welfen Otto durchzusetzen.
Zum Dank erhielt Winnenden das Stadtrecht
Und jetzt können wir wieder zu Winnenden zurückkommen: Wenn Winnenden ausgerechnet in diesem Jahr 1212 zum Markt erhoben und seitdem zur Stadt ausgebaut wurde, dann liegt der Zusammenhang mit der großen Politik nahe: Offenbar hat Heinrich von Neuffen als Lohn für seine erfolgreiche Italien-Mission von Friedrich II. das Recht erhalten, Winnenden zum Markt und dann zur Stadt auszubauen – d.h. eigentlich war es ja noch Heinrichs Schwiegervater Gottfried von Winnenden, der 1212 noch lebte, und der damit in handfester Weise von den Aktivitäten seines Schwiegersohns profitierte. Gottfried von Winnenden dürfte nicht allzu viel nach 1212 gestorben sein, so dass den eigentlichen Ausbau Winnendens zur Stadt tatsächlich eher Heinrich von Neuffen durchführte.